Google Fonts: Abmahnungen waren Rechtsmissbrauch

Die Abmahnungen wegen der Verwendung von Google Fonts waren rechtsmissbräuchlich. AG Ludwigslust verurteilt vermeintlichen Datenschützer.
Mindestens zwei Abmahnkanzleien haben Deutschland über Monate mit Abmahnungen überzogen wegen der Verwendung von nachladbaren Schriften auf Internetseiten. Mittels eines Webcrawlers wurden systematisch Webseiten durchsucht, auf denen Google Fonts eingebunden war. Adressaten der Abmahnungen waren die Website-Betreiber. Beteiligt waren vor allem die Anwaltskanzleien "RAAG" (für den Mandanten Wang YU) und "Kilian Lenard" (für den Mandanten Herr Martin Ismail IG Datenschutz).
Das Amtsgericht Ludwigsburg hat jetzt als erstes deutsches Gericht entschieden, dass diese Abmahnungen rechtsmissbräuchlich waren und den Abmahner zu Schadenersatz verurteilt (AG Ludwigsburg, Urteil vom 28.02.2023, Az. 8 C 1361/22).
Welche Beurteilung liegt dieser Entscheidung zugrunde?
Nach den Erkenntnissen des Amtsgerichts hatte einer der beiden Abmahnkanzleien (die an dem Verfahren beteiligt war) im Zeitraum vom 14.09.2022 bis zum 20.10.2022 mindestens 217.540 Abmahnungen verschickt. Die Staatsanwaltschaft Berlin durchsuchte im Rahmen ihrer strafrechtlichen Ermittlungen die Kanzleiräume . Bei der Durchsuchung wurden 2418 Fälle ermittelt, in denen die Angeschriebenen die geforderten 170 € gezahlt hatten (soweit die Angeschriebenen weder bezahlten noch negative Feststellungsklage erhoben, wurden hingegen bislang keine weiteren Maßnahmen veranlasst).
Dieses Praxis hält das AG Ludwigsburg für Rechtsmissbrauch. Dies ergebe sich bereits daraus, dass bei dem Abmahner nicht das Unterlassungsinteresse im Vordergrund stehe, sondern das Interesse an einer Einnahmeerzielung, da er sich seinen Unterlassungsanspruch gegen Zahlung von 170 € abkaufen ließe. Außerdem sei nicht erwiesen, dass die IP-Adresse jedes Besuchers einer Webseite mit Google Fonts überhaupt an einen Server von Google in den USA gesendet wird, was aber Voraussetzung einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist.
Aber selbst wenn eine Rechtsverletzung vorliegen würde, wäre dem Abmahner gar kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Denn beim Einsatz eines Webcrawlers, der gezielt Webseiten aufsucht, um eine – unterstellte - Rechtsverletzung auszulösen, kann kein unliebsamer Schaden entstehen.
Wie verhalten Sie sich, wenn sie RAAK oder Kilian Lennard abgemahnt wurden?
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht damit zu rechnen, dass der Abmahnung auch eine Klage folgt. Beiden Kanzleien und ihren Mandanten ist längst die Luft ausgegangen. Die Abmahnwellen haben sich offensichtlich nicht gelohnt, der sprichwörtliche Schuss ist nach hinten losgegangen.
Wenn Sie die Sache aber nicht auf sich beruhen und den Eintritt der Verjährung abwarten wollen, können Sie eine sog. "Negative Feststellungsklage" vor dem örtlichen Amtsgericht erheben. Die Erfolgsaussichten stehen nach dem Urteil des AG Ludwigsburg gut. Beachten Sie aber bitte, dass Rechtsschutzversicherungen die Kosten eines solchen Gegenangriffes regelmäßig nicht übernehmen, Sie also mit den Gerichts- und den eigenen Anwaltskosten in Vorleistung treten müssen. Bei erfolgreicher Klage haben Sie später einen Erstattungsanspruch, aber ob sich der noch durchsetzen lässt?
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