BGH bestätigt: Digitaler Nachlass gehört doch zum Erbe
BGH entscheidet gegen Facebook

Schon wieder: Überraschende Wende im Facebook-Prozess - Der BGH hebt eine fragwürdige Entscheidung des Kammergerichts Berlin zum sog. Digitalen Nachlass auf und bestätigt ursprüngliche Entscheidung.
Während das Kammergericht (also das Berliner Oberlandesgericht) in zweiter Instanz noch zu Gunsten von Facebook entschieden hatte, bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Berlin. Während das Kammergericht noch die Klage einer Mutter abgewiesen hatte, die den Zugang zu dem Facebook-Account ihres verstorbenen Kindes durchsetzen wollte, gab der BGH dieser jetzt Recht. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses, so die Richter, stehe dem Anspruch der Erben nicht entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten.
Auch aus dem Wesen des Vertrags ergebe sich, so der 3. Senat des BGH, eine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses nicht; insbesondere sei dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folge nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar möge der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten sei jedoch von vornherein kontobezogen. "Diese hat nicht zum Inhalt, sie an eine bestimmte Person zu übermitteln," erläutert Fachanwalt für IT-Recht und Notar Dr. Jochen Springer, "sondern an das angegebene Benutzerkonto." Der Absender einer Nachricht könne dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass Facebook sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Springer: "Es besteht aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen."
Praktisch bedeutet dies: Zu Lebzeiten muss mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.
Ander als noch die Richter am Kammergericht meinten, scheide eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung, so der BGH, gingen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. "Auf diesem Weg werden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen ist", erläuter Notar Dr. Springer. "Es besteht aus erbrechtlicher Sicht also kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln als beispielsweise Gegenstände oder andere Rechte". Auch diese gingen auf den Erben als sog. Gesamtrechtsnachfolger über.
Einen Ausschluss der Vererblichkeit auf Grund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin hat der III. Zivilsenat ebenfalls verneint. Auch das Fernmeldegeheimnis steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Der Erbe ist, da er vollständig in die Position des Erblassers einrückt, jedenfalls nicht "anderer" im Sinne von § 88 Abs. 3 TKG.
Zuguterletzt hat der BGH auch Datenschutzrecht geprüft. So hielten die Richter ausdrücklich fest, dass der Anspruch der klagenden Mutter auch nicht mit dem neuen Datenschutzrecht der DSGVO kollidiere. Diese stehe dem Zugang der Erben nicht entgegen. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin seien somit nicht betroffen, weil die Verordnung nur lebende, nicht aber verstorbene Personen schütze, also kein postmortales informationelles Selbstbestimmungsrecht existiere.
Das Urteil des BGH ist rechtskräftig. Weitere Rechtsmittel stehen Facebook nicht zur Verfügung.