Internet: Eltern haften nicht immer für ihre Kinder
BGH legt endlich Begründung vor

Die lang ersehnte Begründung ist jetzt da: Fast fünf Monate nach Bekanntwerden hat der Bundesgerichtshof (BGH) endlich die viel beachtete "Morpheus-Entscheidung" begründet.
Der BGH erteilt der Musikindustrie darin eine klare Absage und verneint die Pauschalhaftung von Eltern für Internet-Rechtsverletzungen. Eltern genügen nach danach ihrer Aufsichtspflicht regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht nach Auffassung des obersten deutschen Zivilgerichtes grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen seien Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hätten, dass ihr Kind dem Verbot zuwiderhandelt.
Nach Auffassung des Gerichtes genügen Eltern, die ihrem minderjährigen Kind ihren Internetanschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie das Kind über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten. "Die Anforderungen an die gesetzliche Aufsichtspflicht richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens", erläutert Rechtsanwalt Dr. Jochen Springer. "Dabei hängt es laut BGH hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss", so der Fachanwalt für IT-Recht.
Trotzdem sei Umsicht geboten: "Denn welche Überwachungsmaßnahmen nötig sind, hängt auch von dem jeweiligen Kind ab." Patentrezepte gebe es leider nicht. "Immerhin hat der BGH eingeräumt, dass Kinder auch mal über die Stränge schlagen dürfen, ohne dass die Eltern gleich dafür haften." So entspreche es der Lebenserfahrung, dass Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten. Daraus folge aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet die elterlichen Verbote beachtet.
"Die Praxis der Abmahnungen durch die Musikindustrie wird von diesem Urteil massiv beeinflusst werden", glaubt Springer. "Ein Weiter-so ist nicht denkbar." Denn ein Großteil der Abmahnung betreffe genau die Konstellation, mit der sich der BGH in der "Morpheus-Entscheidung" beschäftigt habe.
Eltern, die als Anschlussinhaber abgemahnt werden, sollten daher unbedingt anwaltlichen Rat suchen. Entscheidend ist der fachmännische Blick auf den ganzen Fall. "Aber Vorsicht!", warnt Springer, "wer nicht aufpasst, liefert schnell sein eigenes Kind ans Messer." Wer sich mit der Morpheus-Entscheidung aus der eigenen Haftung herausreden will, kann schnell böse Überraschungen erleben. Springer: "Was nützt es, wenn die Eltern ungestraft davon kommen, aber die Kinder bis ans Lebensende haften?"